Alle waren so in ihre krampfhaften Rettungsversuche vertieft, dass sie
nicht bemerkten, was zur gleichen Zeit am Strand ablief. Dort war die Not des
kleinen Bootes zum Glück nicht unbemerkt geblieben und die ansässigen Fischer machten ihr stärkstes Boot
startklar, um den Menschen draußen im hohen Seegang zu Hilfe zu eilen. Acht
muskelbepackte Männer schoben das stabile Wasserfahrzeug über den Strand ins
Meer. Die leistungsstarken Doppelmotoren heulten auf und vier der Männer
schwangen sich ins Boot. Trotz der starken Motoren kamen sie wegen der Strömung
und den inzwischen meterhohen Wellen nur langsam voran. Von ihrem in Seenot
geratenen Boot aus war es Thomas der das zu Hilfe kommende Fahrzeug zuerst
entdeckte. Er machte den Anderen Mut schnell weiter zu schöpfen, damit ihr Kahn
nicht vor Eintreffen des Hilfstrupps absäuft. Nach vielen bangen Minuten des
Wartens war das grosse Boot endlich bei ihnen angekommen und die Fischer
zerrten zuerst die Frauen zu sich an Bord. Zwei von ihnen fischten Angel und
Miguel aus dem Wasser und die anderen beiden kämpften mit Thomas und Juan, um
das nun sinkende, inzwischen ziemlich voll gelaufene, Boot mit starken Tauen zu
sichern. Als Alle in Sicherheit waren tuckerte das starke Boot, den kleinen
Kahn im Schlepptau, langsam auf Rincon zu.
Vom Ufer aus beobachteten die dort gebliebenen Fischer, dass die Rettungsaktion
glücklich abgelaufen und die Schiffbrüchigen auf dem Weg zu ihrem Strand waren
und es brach grosser Jubel aus. Das Meer konnte sehr tückisch sein und immer
wieder forderte es seine Opfer. Erst vor Kurzem war das Ertrinken eines ihrer Söhne
zu beklagen gewesen und der Respekt vor den Naturgewalten steckte tief in
ihnen. Kurze Zeit später wurden die völlig entkräfteten Ausflügler aus dem
rettenden Boot getragen und in ein nahes Haus gebracht. In warme Decken gehüllt
bekam jeder eine Tasse heissen Tee und Mamajuana zum Trinken. Die Getränke
halfen wahre Wunder und Alle fühlten sich besser und die Kräfte kehrten langsam
wieder. Miguel erzählte Sam zwischen zwei Schlucken, dass Mamajuana aus
verschiedenen zerkleinerten Hölzern besteht und mit Rum aufgegossen wird.
Anschliessend muss das Gemisch ordentlich durchziehen. Das Endergebnis ist für
Dominikaner praktisch ein Allheilmittel und wird gerne getrunken. Die
Hausherrin, eine liebenswürdige alte Dame, wollte sofort ans Werk gehen und für
Retter und Gerettete Essen kochen. Doch keiner verspürte Appetit und so wurde
dankend abgelehnt. Angel, Juan und auch Miguel mussten viele wütende Worte über
sich ergehen lassen. Wie hatten sie nur unwissende Touristen in so eine gefährliche
Lage bringen können! “Ausserdem kennt ihr das Wetter und hättet wissen müssen, wie schnell ein
Sturm aufziehen kann. Heute hat die Sonne gestochen, das war ja wohl ein untrügliches
Zeichen, dass entweder Regen, ein stürmischer Wind oder gar ein Gewitter
aufziehen wird!“ ereiferte sich ein alter Mann. Betreten schwiegen die drei, denn der
Alte hatte natürlich recht. Und jeder der Gescholtenen ärgerte sich fürchterlich
über die eigene Dummheit, die ahnungslose Urlauber in tödliche Gefahr gebracht
hatte. Wie schlimm es schon stand, wussten sie nur zu gut und nun mussten sie
sich das eigene Versagen eingestehen. Als es den vier Urlaubern besser ging,
wurde ein Taxi bestellt und die Freunde waren froh, diesmal auf dem Landweg
reisen zu dürfen. Miguel begleitete sie auf der Fahrt ins Hotel. Thomas konnte
inzwischen wieder Witze reissen und tönte: “Da haben wir
wenigstens eine spannende Story, die wir zu Hause erzählen können.” Aber die anderen waren einfach nur froh, mit einem blauen Auge
davongekommen zu sein. Kira schwor sich, nie wieder in ein Boot zu steigen und
wenn es nicht anders ginge, dann nur wenn Schwimmwesten, Paddel und andere
Hilfsgeräte an Bord wären. Sie hatten verteufelt viel Glück gehabt, die
Geschichte hätte auch böse enden können. Sam fragte: “Wir sollten uns bei unseren Rettern und der gastfreundlichen Dame gebührend
bedanken. Hat einer von euch eine Idee was dafür in Frage kommt?” Alle überlegten eine Weile, aber es kamen keine vernünftigen Vorschläge
dabei heraus. Also befragte sie Miguel. Seine Antwort: “Den Fischern geht es wirtschaftlich gesehen nicht besonders gut. Meist
sind sie Alleinverdiener, haben aber grosse Familien und viele Mäuler zu
stopfen. Wir sollten Geld zusammenlegen und uns auf diese Weise bedanken. So
helfen wir den Leuten wenigstens auch ein bisschen.” Miguels Vorschlag wurde dankbar und einstimmig
angenommen. Ansonsten verlief die Rückfahrt zum Hotel sehr ruhig. Alle waren
erschöpft und dösten oder versuchten ihre Gedanken zu ordnen und das Erlebte zu
verarbeiten. Als sie im “Paradiso” ankamen, schien die Sonne wieder mit voller Kraft und nichts erinnerte
mehr an das tückische Unwetterintermezzo. Thomas entlohnte den Taxifahrer mit
nassen Pesoscheinen und die Freunde waren froh, endlich zu ihren Zimmern zu
kommen. Kira, die immer noch fürchterlich fror, liess die Badewanne mit sehr
warmem Wasser volllaufen und entspannte sich im nach Vanille duftenden
Schaumbad. Allmählich wurde ihr wieder warm und das Zittern liess etwas nach. “Wahrscheinlich steckt mir der Schock noch in den Gliedern” dachte sie und weil sie sich plötzlich kaum noch auf den Beinen halten
konnte, legte sie sich auf das bequeme Bett. Kaum dass sie lag, war sie auch
schon eingeschlafen. Miguel hatte Sammy in ihr Zimmer begleitet und half ihr
beim Ausziehen der feuchten Sachen. Dann stellten sie sich unter den heissen
Wasserstrahl der Dusche und Miguel musste Sam stützen, weil ihr die Beine
wegknickten. Er packte sie ins Bett und bewachte ihren unruhigen Schlaf. Nach
der ausgestandenen Gefahr fühlte auch er sich matt und zerschlagen und dämmerte
im Halbschlaf vor sich hin. Katrin ging es ebenso nicht sonderlich gut. Nachdem
sie im Zimmer angekommen einen Weinkrampf bekam, hatte Thomas den Hotelarzt
alarmiert. Das gespritzte Beruhigungsmittel begann schnell zu wirken und er
verordnete ihr Bettruhe und versprach am Abend noch einmal nach Katrin zu
sehen. Thomas, eigentlich ein Bruder Leichtfuss, machte sich schwere Vorwürfe,
er hätte die Gefahr erkennen und beim Aufziehen des Unwetters die sofortige Rückkehr
an Land fordern müssen. Aber das half nun auch nichts mehr und zum Glück war
niemand ernsthaft verletzt worden. Als Kira erwachte war es stockdunkel im
Zimmer und sie hatte absolut keine Ahnung wie spät es sein könnte. Sie knipste
die Nachttischlampe an und schaute auf ihren Wecker. Die Zeiger standen auf
20.37 Uhr. Kira erhob sich und fühlte außer einem unangenehmen Kratzen im Hals,
eine grosse Leere in ihrem Magen. Sie beschloss Abendessen zu gehen und zog
sich bequeme Kleidung an. Im Freien wurde sie von starkem Regen, der
kerzengerade auf die Erde niederprasselte, überrascht. Sie wunderte sich, dass
es trotzdem immer noch sehr warm war. Über den direkten, überdachten Weg kam
sie in die Hotellobby. Als sie an der Rezeption vorbeiging und wie immer
freundlich grüsste, rief die diensthabende Rezeptionistin sie zu sich heran. “Frau Kramer? Für Sie wurde eine Nachricht hinterlassen.” sagte sie freundlich zu Kira und gab ihr ein zusammengefaltetes Stück
Papier. Im ersten Moment wunderte sie sich, wer würde ihr denn eine Nachricht
zukommen lassen? “Martin!” zuckte der Gedanke durch Ihren Kopf. Er würde doch nicht ihr Date
absagen? Schnell entfaltete sie das Papier und las die paar Zeilen: “Mein liebes Seesternchen!” “Carlos!” durchzuckte es sie und sie las weiter: “Leider muss ich heute nach Santo Domingo und etwas klären. Du warst
nicht im Hotel. Schade, nun kann ich dich den ganzen Tag nicht sehen. Ich freue
mich auf Morgen, auf dich und die Show! Sei geküsst, dein Carlos” Innerlich atmete Kira auf. Nun musste sie Carlos nicht von dem Ausflug
mit gefährlichen Ausgang berichten, wenigstens nicht heute. Gedankenverloren
schob sie den Zettel in ihre Hosentasche und begab sich ins Restaurant. Hier
konnte sie kein bekanntes Gesicht ausmachen und nahm an einem kleinen Tisch
Platz. Es war ihr sehr recht, heute Abend hatte sie absolut keine Lust auf
Smalltalk. Kira nahm zwei Scheiben vom zarten Braten, knackigen Salat und
gebackene Kartoffel mit Sauerrahm. Mineralwasser und frischen Ananassaft wählte
sie als Getränke. Ihre Mahlzeit beendete sie mit einem grossen Stück
Schokotorte mit ganz viel zarter Schokoladencreme. “Gut für die angekratzten Nerven” dachte sie
beim Verzehr der Leckerei. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer beschloss sie den Abend
gemütlich vor dem Fernseher ausklingen zu lassen. “Oh Mann, ich muss Babsi anrufen! Sicher denkt sie, dass ich sie vor
lauter Amüsement schon vergessen habe!” Sie wählte
bereits, als ihr Blick auf die Uhr fiel. Schnell zählte sie in Gedanken. Als
sie bemerkte, dass es zu Hause bereits 2.30 Uhr nachts war, unterbrach sie den
Wählvorgang. “Morgen rufe ich Babs aber ganz sicher an!” beschloss sie und schaltete das Fernsehgerät an.
Neugierig wie es weitergeht?
Entweder morgen weiterlesen oder direkt zum Download
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